Archive for April 2009

Unterschiedliche Arten von Manipulation

April 22, 2009

Der Begriff den wir von Manipulation haben ist erst im 20. Jahrhundert entstanden, noch im 19. Jahrhundert verstand man unter Manipulation hauptsächlich die Beeinflussung von Körperzuständen durch Handauflegen und magnetische Behandlungen. Im Krünitz-Lexikon finden wir dazu folgenden Eintrag:

„Insbesondere heißt Manipulation aber die Bearbeitung, Berührung und Streichung eines Körpers mit der Hand, um heilsame Veränderungen in demselben zu bewirken. Von den Wirkungen der sanfteren Manipulation, so wie es bey dem vor einigen Jahren so berüchtigten Magnetisieren angewendet wurde…“ (http://www.kruenitz1.uni-trier.de/, Stichwort: Manipulation)

Von diesen körperlichen Methoden der Manipulation erfahren wir in Simulacra von Philip K. Dick durch Richard Kongrosian. Er hat sehr starke psychokinetische Fähigkeiten, er kann ohne die Tasten zu berühren Klavier spielen. Doch das ist erst der Anfang, wenn er mit seiner Kraft Menschen in weit entfernte Gegenden befördert oder sich Dinge einverleibt während seine inneren Organe nach außen fallen, ist das wohl eine fiktive Art von physischer Manipulation. Nachdem er aber die Kontrolle verliert, kann diese Kraft nicht in eine bestimmte Richtung eingesetzt werden. Es ist interessant, dass diese älteste Art von Manipulation, nämlich die über die Kraft der Hände, in Simulacra auch eine der mächtigsten ist. Und zwar in dem Sinne, dass Niemand weiß, wie diese Kraft kontrolliert werden kann. Der Finale Countdown wird durch Richard Kongrosian extrem durcheinander gewirbelt. Pembroke, der ja einen genauen Plan hatte, kann sich nicht gegen ihn behaupten. (Philip K. Dick, Simulacra, Heyne, München 2005, S. 235-237)

Im Allgemeinen verstehen wir unter Manipulation die gezielte Beeinflussung einer Person ohne die Einwilligung des betreffenden Menschen. In manchen Formen kann es auch passieren, dass es die betreffende Person zumindest anfangs freiwillig mit sich geschehen lässt. Im fortschreitenden Stadium der Manipulation ist eine freiwillige Entscheidung dafür oder dagegen dann nicht mehr möglich. So erleben wir in Simulacra am Beispiel der Papoolas wie Menschen sich von den niedlichen Tierchen verführen lassen obwohl sie wissen dass diese sie beeinflussen werden, ja ihnen regelrecht Gedanken aufzwingen werden, die der Verkaufsstrategie des Raumschiffparks dienen. So funktioniert ja auch in unserer Alltagswelt die Werbung für bestimmte Produkte. Über unbewusste Signale wird z.B. ein bestimmtes Parfum mit einem sehr attraktivem Frauenkörper verknüpft. Und wir lassen uns doch Alle manchmal gerne verführen ein bisschen mehr auszugeben als geplant, wenn wir dafür so eine sexy Ausstrahlung erhalten, oder?

Manipulation wirkt über sehr suggestive Methoden direkt auf die Psyche und das Denken ein. Neben den vielen negativ gesehenen Beeinflussungen, gibt es auch positive Formen von Manipulation der Psyche. Zum Beispiel in der Psychotherapie kann ein wiederholtes Vorsagen von geeigneten Glaubenssätzen dem/der Patienten/in mehr Selbstvertrauen oder eine lebensbejahende Sicht der Dinge verschaffen. Psychotherapie will aber einen klaren Verstand und geklärte Gefühlslagen erreichen, so wird sie auch in Simulacra Opfer der Mächtigen, da diese Klarheit nicht erwünscht ist.

In fragwürdiger Weise nutzen Sekten und auch Religionsgemeinschaften suggestive Methoden der Manipulation. Glaubenssätze und Doktrinen werden nach einem mantrischem Muster immer und immer wieder aufgesagt und eingeprägt. Die gesellschaftliche Herkunft spielt dabei eine große Rolle – parallel zu Be und Ge wirken einfache Muster bei einer Masse von Menschen, die einer gebildeten „wissenden“ Minderheit gegenüber steht, leichter. Die Mitglieder glauben dann wirklich aus tiefstem Inneren an die ihnen vermittelten Einstellungen.

Eventuell könnten auch bestimmte Erziehungsstile in diese Kategorie fallen, wo durch gekonntes einreden und manipulieren der Gedanken der Kinder das gewünschte Ziel erreicht wird. Es ist bis zu einem gewissem Grad vielleicht hilfreicher als Dinge einfach zu verbieten. Die sogenannte antiautoritäre Erziehung bringt nicht immer das gewünschte Ergebnis und so greifen psychologisch begabte Eltern ab und an zu manipulativen Methoden. In Simulacra werden auch die Erwachsenen zu den gewünschten Menschen, die sich den aufgestellten Regeln gemäß verhalten, erzogen. Zu diesem Zweck kommen zahlreiche Formen der Manipulation zum Einsatz. Das ganze Gesellschaftssystem ist auf Manipulation der Masse aufgebaut.

Durch Nicole, die so ungeheuer echt und beeindruckend schön ist, wird das Volk in dem Glauben gehalten sie würden in einem Matriarchat leben, von einer über Mutter regiert werden, die gleichzeitig weise und zeitlos jung ist. Dazu gibt es den passenden Partner, der „Alte“, der sogar gewählt wird, da er aber ein Simulacrum ist wird die Wahlmöglichkeit nur vorgetäuscht, also Manipulation durch vortäuschen von falschen Tatsachen. Unterstützt wird dieses System durch die Ungleichheit der Menschen, es gibt Be, die sehr wenig wissen, und Ge, die in einige wichtige Staatsgeheimnisse eingeweiht sind. In dieser Gesellschaft akzeptieren das aber Alle, weil es die Möglichkeit gibt zum Ge zu werden, wie und wodurch ist allerdings unklar.

Wir könnten unterscheiden zwischen Manipulationen von Mensch zu Mensch und technisch unterstützter Manipulation. Dann gibt es auch noch die Manipulation mithilfe von chemischen Substanzen, die direkt auf das Nervensystem einwirkt, in Simulacra steht dafür die Chemie AG. Chemische Drogen wirken direkt auf Menschen ein und manipulieren das Bewusstsein. Wieweit das die betreffende Person freiwillig mit sich geschehen lässt oder sich sogar willentlich dieser Manipulation aussetzt ist von Fall zu Fall zu entscheiden. In Simulacra bleibt den Betroffenen keine Wahl, da die Psychotherapie verboten wird. Die Beeinflussung der Psyche durch chemische Mittel hat auch bei uns bereits eine lange Tradition und wird immer ausgereifter, viele Ärzte sehen darin eine große Hilfe für Patienten. Ab wann der Einsatz von Psychopharmaka notwendig ist, ist schwer zu entscheiden. Durch eine psychische Erkrankung wird auch wiederum die Wahrnehmung der Wirklichkeit stark manipuliert.

Es stellt sich die Frage, was Wirklichkeit eigentlich ist. Jeder Mensch hat seine individuelle Sicht der Dinge. Wir erleben die Welt in der wir leben nur durch unsere eigenen Sinnesorgane. Durch einen Roman wie Simulacra wir unsere Wahrnehmung in Frage gestellt. Philip K. Dick entführt uns in eine völlig andere Welt, auch die Leser werden wir immer wieder manipuliert, indem er sie Ebenen für real halten lässt, die sich später als Manipulation der Wirklichkeit herausstellen. Diese Wirklichkeit ist ja aber auch wieder eine Fiktion, nämlich die Welt die Simulacra erzählt. Ein anderer Autor, Franz Kafka beschreibt in seinen Werken sehr starke Manipulationen von Wirklichkeit. Als LeserIn werden wir gemeinsam mit den Protagonisten verunsichert, diese Literatur führt zu einer hinterfragenden Betrachtung der Vorgänge in der realen Welt. Als Beispiel für innerliche Manipulation dient der folgende Auszug von „Vor dem Gesetz“, von Kafka 1915 veröffentlicht. Der „Mann vom Lande“ versucht vergeblich den Eintritt zum Gesetz zu erlangen, das von einem Türhüter bewacht wird. Ähnlich wie die Be in Simulacra zu bestimmten Dingen keinen Zutritt bekommen, kann dieser Mann durch die Strukturen sein Ziel nicht erreichen. Die Manipulation erfolgt durch scheinbare Gesetzmäßigkeit und vorenthalten von Informationen.

Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Aber der Türhüter sagt, daß er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren könne. Der Mann überlegt und fragt dann, ob er also später werde eintreten dürfen. ›Es ist möglich‹, sagt der Türhüter, ›jetzt aber nicht.‹ Da das Tor zum Gesetz offensteht wie immer und der Türhüter beiseite tritt, bückt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehen. Als der Türhüter das merkt, lacht er und sagt: ›Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meinem Verbot hineinzugehen. Merke aber: Ich bin mächtig. […] Er verflucht den unglücklichen Zufall in den ersten Jahren laut, später, als er alt wird, brummt er nur noch vor sich hin. […] Nun lebt er nicht mehr lange. Vor seinem Tode sammeln sich in seinem Kopfe alle Erfahrungen der ganzen Zeit zu einer Frage, die er bisher an den Türhüter noch nicht gestellt hat. Er winkt ihm zu, da er seinen erstarrenden Körper nicht mehr aufrichten kann. Der Türhüter muß sich tief zu ihm hinunterneigen, denn die Größenunterschiede haben sich sehr zuungunsten des Mannes verändert. ›Was willst du denn jetzt noch wissen?‹ fragt der Türhüter, ›du bist unersättlich.‹ ›Alle streben doch nach dem Gesetz‹, sagt der Mann, ›wie kommt es, daß in den vielen Jahren niemand außer mir Einlaß verlangt hat?‹ Der Türhüter erkennt, daß der Mann schon am Ende ist, und um sein vergehendes Gehör noch zu erreichen, brüllt er ihn an: ›Hier konnte niemand sonst Einlaß erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.‹

(Kafka, Franz: Der Proceß, Bd. 3, Frankfurt a. M.: Fischer Verlag 1994. S.255-257)

Der Mann bekam also sein ganzes Leben lang keinen Zutritt zum Gesetz, obwohl das Tor eigentlich für ihn offen stand, der Torhüter kann symbolisch für die verinnerlichten Beschränkungen, die der Mann in sich trägt gesehen werden. Diese hindern ihn daran, den Weg zu gehen, den er gehen möchte. Diese Stelle bei Kafka wurde natürlich schon in unterschiedlichster Weise interpretiert, hier soll sie auf den Aspekt von Manipulation hinweisen, der sehr innerlich, häufig unauffällig, und doch um so effektiver wirkt.

Literaturverzeichnis:

Dick, Philip K., Simulacra, München: Heyne Verlag 2005.

Kafka, Franz: Der Proceß, in: Koch, Hans-Gerd (Hg.), Franz Kafka. Gesammelte Werke in zwölf Bänden, nach der kritischen Ausgabe von Malcolm Pasley, Bd. 3, Frankfurt a. M.: Fischer Verlag 1994.

http://www.kruenitz1.uni-trier.de/, Stichwort: Manipulation.

Manipulation – Eine Einführung

April 22, 2009

Manipulation! Ein Begriff den wir im Alltag oft zu hören kriegen. Meist wird er in Bezug auf Medien genannt, häufig aber auch im Zusammenhang mit Politik oder auf den Berufsalltag bezogen. Was allerdings verstehen wir nun genau unter Manipulation? Unsere Gruppe hat es sich zur Aufgabe dieses Thema genauer zu beleuchten. Beginnend wollen wir uns mit der genauen Bedeutung des Begriffes auseinandersetzen.

Bezogen auf die soeben genannten Beispielbereiche wird Manipulation allgemein als die Beeinflussung anderer Menschen zum eigenen Vorteil hin verstanden, ohne dass diese es bemerken. Diese Definition stammt aus der Sozialpsychologie. Diese Beeinflussung kann durch eine Einzelperson (z.B Politiker, Arbeitskollege) oder Gruppen (z.B Parteien, Medienunternehmen) erfolgen.
Der Begriff ist somit meist negativ besetzt, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist allerdings weitaus neutraler. Das Wort selbst stammt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie Handgriff, Kunstgriff. Somit war ursprünglich mit Manipulation von Etwas lediglich nur dessen Handhabung bzw. Benutzung gemeint. Weitet man diese Definition nun weiter aus könnte man Manipulation auch als Lenkung von Etwas oder Jemandem in eine bestimmte Richtung verstehen, bzw. seine Steuerung oder Lenkung. Womit wir wieder beim anfangs genannten Aspekt der Beeinflussung anderer Menschen wären. Dieser Aspekt wird uns in unserem Blog am meisten interessieren, denn er war in Philip K. Dicks Werken ein markantes und häufig vorkommendes Thema.

Im weiteren Verlauf dieses Blogs wollen wir uns somit einerseits mit dem Thema Manipulation speziell in Philip K. Dicks Werken beschäftigen, uns darüber hinaus aber auch noch weiteren Aspekten und Bereichen unseres Gruppenthemas widmen, wie z.B der Bereich der verschiedenen Erscheinungsformen (wie z.B politische Propaganda, Werbung, gezielte Information), den Auswirkungen, psychische Thesen usw.