Archive for Juni 2009

Time out of Joint – Individuum gegen Geselschafft

Juni 30, 2009

,,Zeit aus den Fugen“ (Time out of joint) ist ein füheres Werk Dicks, aus dem Jahre 1959.

Ragle Gumm ist eine berühmte Persönlichkeit, denn er ist seit über drei Jahren Gewinner eines schwierigen Zeitungsquiz. Er bezieht sein Einkommen daraus, täglich zu errechnen, auf welchem der zahllosen Quiz-Felder das »grüne Männchen« als nächstes auftauchen wird. Ende der fünfziger Jahren lebt er zusammen mit seiner Schwester Margo, seinem Schwager Victor und seinem Neffen Sammy in einem recht komfortablen Haus. Doch irgendetwas stimmt mit dieser Welt nicht, sie ist einfach zu perfekt. Gemeinsam mit Victor und Sammy findet Ragle Anhaltspunkte dafür, dass die Realität von irgend jemandem manipuliert wird.Gegenstände lösen sich vor seinen Augen auf und er entdeckt Zeitschriften, die nicht aus der Zeit stammen können, in der er lebt. Er hört mit Hilfe einer Art Radio zufällig den Funkverkehr von unbekannten Personen mit, die in ihren Unterhaltungen Ragles Namen erwähnen und anscheinend alle über ihn Bescheid wissen. Ragle versucht, aus seiner Welt auszubrechen und findet in einem abgelegenen Haus mehrere Zeitschriften, die auf das Jahr 1997 datiert sind. Am Ende stellt sich heraus dass sich die Jahreszahl als tatsächlich heraus, des weiteren befindet sich die Erde in einem Krieg gegen den Mond, bzw. seine Kolonisten. Ragle Gumms Aufgabe ist es, die Ziele der Raketenangriffe vom Mond vorherzusehen. Seine Mitverantwortung für den Krieg führte zu einem Nervenzusammenbruch, weswegen man in eine künstliche Welt, eine extra für ihn erbaute Stadt im Stile der 1950er, die heile Welt seiner Kindheit verfrachtete und mit Hilfe des vermeintlichen Ratespiels weiter das Raketenabwehrsystem leiten lässt. Als er hinter die Verschwörung kommt, beschließt er sich den Mondkolonisten anzuschließen und lässt alles auf der Erde zurück.

 

Zeit aus den Fugen, kann als Parabel interpretiert werden, wie das einzelne Individuum von der Gesellschaft manipuliert wird. Für Ragle Gum, wird eine ganze künstliche Welt aufgebaut, um ihn dreht sich somit alles, es ist sein kleines Universum, nur liegt die Kontrolle über Dieses Universum nicht bei ihm. Füllt man sich nicht selbst oft wie der Mittelpunkt des Universums und hat nicht trotzdem auch das Gefühl, ihm und seinen Kräften hilflos ausgeliefert zu sein? Die erdrückenden Kräfte, die undurchsichtige, verdeckt agierende, manipulative Macht die einem beeinflusst und lenkt, diese Macht, könnte, in einer zugegeben etwas paranoid-extremen Art und Weise, wie sie aber einem Philip K. Dick ja bekannterweise nicht allzu fern lag, die Gesellschaft sein. Das einzelne Individuum wird, nach Dick, durch sie geprägt, geformt und für den kollektiven Zweck benutzt. Im Roman wird Ragle eben durch diese Gesellschaft in Beschlag gehalten und von der wirklichen Welt isoliert, da Dieser ihren weiteren Fortbestand sichern soll. Im Realfall könnte man beispielsweise den allgemeinen Wehrdienst als kollektive Prägung (Ausbildung zum Kämpfer) und Benutzung (Zweck der Landesverteidigung) anbringen. Natürlich darf gesellschaftlicher Beeinflussung nicht nur als negativ erachtet werden, schließlich sind wir alle Teil einer sozialen Realität, von der wir automatisch beeinflusst werden und aufgrund unserer Zugehörigkeit auch einen gewissen Beitrag zu leisten haben (Arbeiten, Steuern zahlen, Einhalten der Gesetzen etc.) um ihre Existenz zu bewahren. In diesem Fall hier, wird, ganz im Sinne Dicks, von einem hochgradig-negativen, utopischen Fall ausgegangen.

Literaturverzeichnis:

Dick, Philip K. Zeit aus den Fugen (Time out of Joint). Heyne Verlag. 2002.

Manipulation in Blade Runner

Juni 22, 2009

In so gut wie allen Werken von Philip K. Dick begegnen wir der Manipulation. Sie tritt in allen möglichen Formen auf, in starker und abgeschwächter Form, in allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten. Man kann durchaus sagen, dass sie ein Hauptthema für Philip K. Dick darstellte. Dies kann man nicht nur in seinen Romanen und Kurzgeschichten erkennen. Auch in den Verfilmungen von seinen Werken ist Manipulation präsent. So zum Beispiel in Blade Runner, der Verfilmung des dystopischen Romanes „Do Androids Dream of Electric Sheep?“.
In Blade Runner ist der Zuschauer immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen Personen kontrolliert werden. Das auffälligste Beispiel dafür sind die Replikanten. Dies sind eigentlich Roboter, die von den Menschen erschaffen wurden. Sie sind stärker, schlauer und in vielerlei Hinsicht einfach „besser“ als echte Menschen, das heißt, sie sind dem Menschen in allen Belangen überlegen. Zudem entwickeln sie mit der Zeit ein Eigenleben, also eigene Gedanken und Gefühle. Dazu gehört natürlich auch, dass sie eigene Entscheidungen treffen können, was die „echten“ Menschen als Bedrohung für ihre eigene Existenz verstanden. Deshalb wird den Androiden eine Art „Verfallsdatum“ eingebaut – sie haben genau 4 Jahre zu leben.
Dies ist natürlich eine sehr extreme Form der Kontrolle. Die Androiden sind, obwohl sie eigentlich „nur“ Roboter sind, eigenständig denkende und fühlende Wesen. Dennoch – oder gerade deshalb – wird ihnen eine genaue Lebenszeit vorgegeben, die vom Menschen bestimmt, also kontrolliert wird. Dieser Art der Kontrolle kann kein Android entgehen.
Natürlich ist dies nicht die einzige Form der Manipulation, die der Mensch auf den Androiden ausübt. Der eigentliche „Lebenssinn“, der Zweck der Replikanten ist es ja, vom Menschen kontrolliert zu werden. Androiden werden als auszubeutende Maschinen und Sklaven angesehen. Sie werden Emigranten zur Verfügung gestellt, um sie zu beschützen. Nach der Auswanderung ist es den Androiden streng verboten, wieder auf die Erde zurück zu kehren, da sie dort als Bedrohung empfunden werden. Für den Fall, dass einige Replikanten doch zur Erde kommen, gibt es Kopfgeldjäger. Diese haben die Aufgabe, Andoiden aufzuspüren und zu töten. Die eigentliche Schwierigkeit dabei besteht darin, die Roboter von den Menschen zu unterscheiden. Dafür gibt es speziell entwickelte Tests, die Reaktionen auslösen sollen. Anhand dieser Reaktionen kann festgestellt werden, ob es sich beim „Testobjekt“ um einen Menschen handelt – oder eben nicht. Diese Tests werden auch auf Video aufgezeichnet, was an sich schon eine Art der Manipulation darstellt.
Dies ist also die auffälligste, aber nicht die einzige Form der Kontrolle und Beobachtung im Film Blade Runner. Eine leichtere Form der Manipulation stellen die Werbetafeln dar. Diese sind extrem aufdringlich, sie springen dem Zuschauer quasi ins Auge. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist natürlich, ob es sich dabei nicht auch um eine Manipulation der Zuschauer handelt. Am Anfang des Filmes wird sekundenlang eine leuchtende, riesige Coca-Cola-Reklametafel gezeigt, und dies sogar mehrfach. Dies als Schleichwerbung zu bezeichnen, wäre wohl kaum übertrieben, und es ist bewiesen, dass Menschen auf Werbung reagieren – dass sie also von der Werbung manipuliert werden. Hier haben wir es also mit einer doppelten Variante der Manipulation zu tun. Auf der einen Seite werden die Figuren im Film massiv durch die allgegenwärtigen Werbeplakate, die ja sehr auffällig gestaltet sind, manipuliert und in gewisser Weise auch kontrolliert. Ihr Kaufverhalten wird gelenkt. Auf der anderen Seite trifft genau dies aber auch auf die Zuschauer zu, auf die Personen, die sich den Film ansehen. Auch ihnen wird eine große Werbetafel entgegengehalten, auf der das bekannte Coca-Cola-Logo prangt. „Trink Coca Cola!“ wird also nicht nur den Figuren im Film suggeriert, sondern auch den Zuschauern.

Mensch versus Simulacra

Juni 21, 2009

Menschen lassen sich im allgemeinen sehr leicht von psychisch-soziale Beeinflussungen manipulieren. Wir wollen einer Gruppe angehören und uns geliebt fühlen. Auch die erste Form der sozialen Bindung, die Liebe zur uns ernährenden und pflegenden Mutter, kann immer wieder auf unser Leben Einfluss nehmen. Durch ein als Manko erlebtes „zu wenig“ an Liebe und Fürsorge in den ersten Lebensjahren wird ein Mensch besonders empfänglich für Sehnsüchte nach einer Art von Mutter im späteren Leben. In Simulacra von Philip K. Dick wird dieser Wunsch nach einer „Über-Mutter“ zur Manipulation der Gesellschaft eingesetzt. Ein Matriarchat mit einer Schauspielerin, die Nicole Thibodeaux spielt, wird vorgegaukelt. Freud und seine NachfolgerInnen haben uns auf die verschiedenen Muster von Übertragungen in unserer Psyche aufmerksam gemacht. Am Beispiel von Ian, der wirklich sehr in Nicole Thibodaux verliebt ist, sehen wir wie stark diese Bindung sein kann.

„Al, wenn Nicole Thibodeaux tatsächlich neunzig Jahre alt ist, kann mir keine Psychotherapie der Welt helfen.“ „Bist du wirklich so sehr von einer Frau abhängig, die du noch nie in deinem Leben gesehen hast? Das ist doch schizophren. Du bist“ – Al gestikulierte – „von einer Illusion abhängig. Von etwas Synthetischem, Unwirklichem.“ „Was ist unwirklich? Was ist wirklich? Für mich ist sie wirklicher als alles andere, dich eingeschlossen. Sogar wirklicher als ich selbst, als mein ganzes Leben.“ (Simulacra, S. 146)

Zumindest seit Ovid in seinen Metarmorphosen die Geschichte des von den Frauen enttäuschten Bildhauers Pygmalion aufschrieb, existiert ein bestimmter Mythos um die perfekte Frau. Sie soll körperlich und charakterlich genau nach Wunsch des Mannes sein, keine eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen haben und leicht zufrieden zu stellen sein. Besonders unsichere Männer scheinen sich sehr von Frauen angezogen zu fühlen, in die sie viel hinein interpretieren können und nicht zuviel direkten Kontakt zu befürchten haben. Natürlich trifft das genauso auch auf Frauen zu, diese können ihre Fantasien aber erst in der moderneren Zeit offen ausleben. Darauf beruht zum Teil auch der riesige Starkult in der heutigen Zeit. Bilder werden angebetet die realer, schöner und strahlender wirken als die Menschen in unmittelbarer Umgebung. „Die unerreichbare Schöne, die Göttin, der Rockstar, der sexy Filmschauspieler,…“ Wir alle kennen diese Phänomene und die Film- und Musikindustrie weiß sie für das Merchandising gut zu nutzen.

Eine Schauspielerin offiziell an die Spitze zu stellen ermöglicht es in Simulacra dem Rat unauffällig und effizient den Staat zu regieren. Die Schauspielerin bekommt ihre Anweisungen an die sie halten muss und kann höchstens in kulturellen Dingen wie Musik und Kunst eine eigene Meinung haben. Diese Dinge sind politisch ungefährlich genug um sie zuzulassen, selbst wer auftreten darf wird streng kontrolliert. Gegen Ende entwickelt die Schauspielerin einen eigenen Willen, was im System ganz und gar nicht vorgesehen ist. Es gibt in den Theater- und Kunsttheorien immer zwei völlig konträre Meinungen, die einen finden Kunst und Politik dürfen nichts miteinander zu tun haben und die anderen fordern genau diese Einmischung der Kunst wie zum Beispiel Bert Brecht. Bereits Kleist hat in seinem Aufsatz Über das Marionettentheater auf diese Problematik angespielt, indem er einen Tanzmeister provokant behaupten lässt Puppen könnten die besseren Tänzer sein.

Er lächelte, und sagte, er getraue sich zu behaupten, daß wenn ihm ein Mechanikus, nach den Forderungen, die er an ihn zu machen dächte, eine Marionette bauen wollte, er vermittelst derselben einen Tanz darstellen würde, den weder er, noch irgend ein anderer geschickter Tänzer seiner Zeit, Vestris selbst nicht ausgenommen, zu erreichen imstande wäre. (Über das Marionettentheater. S. 4)

Kleist hat damit ein Thema vorweggenommen, dass heute mehr als aktuell ist. Der menschliche Körper wird unentwegt mit „perfekten“ Modellen verglichen. Künstlichkeit wird oft als schöner angesehen als Natürlichkeit. Schönheitsoperationen, Botox & Co haben Hochsaison, in Los Angeles findet sich kaum noch eine Schauspielerin mit nicht gestrafften Gesichtszügen. Die Medizin ist so weit entwickelt, dass sie uns ewige oder zumindest eine sehr lange Jugendlichkeit geben kann. Der Preis dafür sind Gesichter die sich nicht mehr natürlich der inneren Gemütslage anpassen sondern puppenhaft starr wirken. Auch die Technik hat große Schritte gemacht und arbeitet an immer lebensechteren menschlichen Robotern. Japan präsentierte vor kurzem den ersten Modelroboter der Welt. HRP-4C ist 1,58 Meter groß und 43 Kilogramm schwer. Ihr erster Auftritt auf dem Laufsteg steht kurz bevor. Sie ist rein mechanisch durchaus in der Lage menschliche Models zu ersetzen. Die Roboter Frau kann gehen, lächeln, sich umdrehen, die Hände bewegen, sogar sprechen – es reicht also aus um Kleider vorzuführen. Ein großer Vorteil, ein mechanisches Model kann genau nach Wunsch programmiert werden. Das Risiko einer eigenständigen unerwarteten Reaktion ist sehr klein, Gefühle könnten beliebig projiziert werden ohne jemals, sei es positive oder negative Rückmeldungen zu bekommen. Die Gefahr bei allen technisierten sozialen Umgangsformen ist sicherlich, dass unsere menschliche Kommunikation immer mehr nach vorprogrammierten Mustern abläuft. Auch die Internet Netzwerke wie Facebook, Xing oder Twitter ersetzen bereits für viele Menschen das direkte Face to Face kommunizieren. Viel Mehr „Friends“ lassen sich in viel kürzerer Zeit treffen und unendlich groß ist die Anzahl der Informationen. In diesem Dschungel an neuen Welten heißt es den Überblick zu behalten und sich erst mal zu orientieren. Wir werden sehen wie sich diese Dinge weiterentwickeln, es könnte sein dass die wenigen Augenblicke, die wir wirklich mit Menschen teilen, mit der Zeit immer kostbarer werden.

Literaturverzeichnis:

Dick, Philip K., Simulacra, München: Heyne Verlag 2005.

Kleist, Heinrich von, Über das Marionettentheater, Internetausgabe, Version 12.07

http://www.kleist.org/texte/UeberdasMarionettentheaterL.pdf


http://www.n24.de/news/newsitem_4908090.html

Manipulation in Total Recall

Juni 16, 2009

Die Manipulation der Gedanken des Protagonisten Douglas Quaid, ist das zentrale Motiv von Total Recall.

Die Unmöglichkeit der Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion, die sich durch den gesamten Film hindurch zieht, prägt nicht nur die Handlung des Filmes maßgeblich, sondern beeinflusst auch den Zuseher. Die Sichtweise der Betrachter wechselt nämlich ständig, da immer wieder neue Handlungsstränge geschaffen werden. Man kann sich während dem Betrachten von Total Recall niemals sicher sein, dass das, was man sieht, wirklich passiert- es wird also Fiktion in der Fiktion geschaffen, was die gesamte Handlung sehr kompliziert und teilweise undurchschaubar macht. Der gesamte Film stellt eine Aufgabe für den Zuseher dar, indem er immer wieder neue Rätsel aufgibt.

Die Spannung des Filmes wird durch die ständige Suche nach der wahren Identität und Bestimmung des Douglas Quaid aufgebaut, wobei der Zuseher immer genau so viel bzw. wenig weiß, wie der Protagonist selbst. Der Betrachter entwickelt aus diesem Grund schnell Sympathien für den Helden und kann sich mit ihm identifizieren.

Ich möchte nun darauf zu sprechen kommen, wodurch künstliche Realität geschaffen wird und wie es dazu kommen kann, dass der Protagonist und die Zuseher dermaßen getäuscht werden.

Einen großen Anteil an dieser Täuschung haben definitiv die Medien, die den Protagonisten von Anfang an stark beeinflussen und seine Entscheidungen leiten.

Deutlich wird dies gleich zu Beginn des Filmes, als sich Doug beim Frühstück  die Nachrichten auf einem Bildschirm ansieht. Es wird vom Krieg am Mars berichtet, was den Protagonisten sichtlich fasziniert. Da Lori merkt, dass ihr Mann vom Geschehen am Bildschirm völlig eingenommen wird und um dessen Verfassung besorgt ist, schaltet sie um, wodurch eine idyllische Landschaft auf der Wand abgebildet wird. Es wird sofort deutlich, wie stark die Wirkung des Bildschirmes ist, denn obwohl sich Lori um die Aufmerksamkeit ihres Mannes bemüht, schaltet dieser wieder um und folgt gespannt dem Geschehen am Mars. Als Doug schließlich die Wohnung verlässt und sich auf den Weg zur Arbeit macht, ist es erneut ein Bildschirm, der seine Aufmerksamkeit auf sich zieht- der in der U Bahn nämlich. Es erscheint ein Werbefilm der Firma „Recall“, die ihren Kunden verspricht, ihnen künstliche Erinnerungen einzupflanzen, die die gleichen Emotionen auslösen, wie real Erlebtes.

Der Werbebildschirm beeinflusst Doug sehr stark, weshalb dieser gleich darauf den Gedanken fasst, zu „Recall“ zu gehen. Dass ihn nicht einmal sein Arbeitskollege und seine Ehefrau Lori von dieser Idee abbringen können, zeigt die manipulative Wirkung des Bildschirms.

Wie schon in The Simulacra spielt Philip K. Dick erneut mit der Frage, was sich wohl hinter der von den Bildschirmen propagierten Realität verbirgt. War es in „The Simulacra“ Nicole Thibideaux, die eine ganze Nation mit Hilfe eines Fernsehbildschirmes täuschen konnte, so ist es in Total Recall der Gouverneur Vilos Cohaagen, der die Menschen auf den Mars lockt, um dort die Kontrolle über sie zu haben.

Ein großer Unterschied zu The Simulacra ist allerdings, dass die Marsbewohner in Total Recall über die negativen Auswirkungen Cohaagens‘ Macht Bescheid wissen. Sie sind nicht paralysiert, sondern starten sogar rebellische Kämpfe, um gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch den Gouverneur anzukämpfen. Während The Simulacra endet, als der Schwindel rund um Nicole und die Regierung auffliegt, beschäftigt sich Total Recall mit der Wiederherstellung der gerechten Machtverhältnisse. Es gibt in dieser Kurzgeschichte einen Helden, der für das Heil der Marsbewohner verantwortlich ist, was in The Simulacra nicht der Fall ist.

Was die Manipulation durch Medien angeht, kommen die beiden Geschichten trotz ihrer unterschiedlichen Herangehensweise an dieses Thema, doch zu einem sehr ähnlichen Schluss. Dick macht deutlich, dass es immer zu einer Teilung der Gesellschaft kommt, wenn Medien im Spiel sind. Während die Einen sich dem, was sie sehen, blind hingeben und nichts hinterfragen, wollen die Anderen den Dingen auf den Grund gehen. Dies führt zu Konfrontationen und endet, wie wir in beiden Geschichten sehen, mit einer Zerstörung des Systems. Auch wenn dies sehr überspitzt dargestellt wird, zeigt Dick uns auf sehr eindringliche Art und Weise, wie die Medien unser Denken und Handeln beeinflussen und dass jede Beeinflussung auch Folgen nach sich zieht.

Interessant ist, dass Dick die Frage nach Realität oder Fiktion am Ende nicht beantwortet. Wir wissen nach der letzten Szene nicht, ob Doug sich nun in der Realität befindet, oder nur eingepflanzte Gedanken erlebt. Was allerdings deutlich wird, ist das Doug mit dem, was er erlebt, sehr zufrieden ist und daher auch gar nicht um eine Auflösung dieser Frage bemüht ist. Der Held hat also im Laufe des Filmes eine Reise durchgemacht, die seine Gedanken sehr stark beeinflusst hat: Während er zu Beginn des Filmes Abenteuer erleben und aus seinem Alltag flüchten will, geht es ihm am Ende des Filmes viel eher darum, dass sich sein Zustand nicht verändert. Doug hat also durch die anfängliche Manipulation der Medien einen Wandel durchgemacht, der sein Leben und sogar seine Identität verändert hat.

Dass sich Menschen durch Medien verändern, ist auch heute vielerorts zu bemerken. Wir glauben das, was wir in der Zeitung lesen und im Fernsehen betrachten. Was Dick durch Science Fiction darstellt, ist also eigentlich nichts Anderes, als das überspitzte Darstellen unserer Realität.

Propaganda

Juni 2, 2009

Das Bedeutungsfeld des Begriffs Manipulation ist weit gestreckt. Ein Bereich dieses Bedeutungsfeldes wäre der Aspekt der Propaganda.

Nach Fachlexikon definiert sich Propaganda (aus dem lat. propagare verbreiten, verlängern, ausdehnen, fortpflanzen) als ,,die schriftliche, mündliche oder anderweitige, neuerdings auch elektronische (Internet) Verbreitung (politischer, religiöser etc.) Überzeugungen , oft in Verbindung mit weiterer persönlicher Überzeugungsarbeit.“1

Ursprünglich galt Propaganda als Instrument der christlichen Missionierung v.a. in Bezug auf die katholische Gegenreformation. Durch die französische Revolution bekam der Begriff eine politische Note. Propaganda bezeichnete nun v.a. die Verbreitung politischer Ideologien. Dieser Aspekt wurde im 19. und 20. Jhdt. weiter ausgebaut und intensiviert. Bei ihrer Anwendung wurden dabei immer mehr die Massenmedien in Beschlag genommen und instrumentalisiert. Flugblätter, Zeitungen, später dann der Film, das Fernsehen und mittlerweile auch das Internet werden dazu benutzt um gewünschte subjektiv beeinflusste Meinungen unter der breiten Masse zu verbreiten.2

Die Propaganda kann dabei in verschiedenen Formen auftreten:

 

  1. Kriegspropaganda

    Wird von Militärs als legitimer Teil der Kriegsführung betrieben. Ziel ist die Schwächung des militärischen Gegners und die Stärkung der eigenen Truppenmoral. Dabei angewandte Methoden sind z.B. Täuschung, Desinformation (sowohl gegenüber dem Feind als auch gegenüber den eigenen Leuten) und die (Zer-)Störung der gegnerischen Kommunikationsstruktur. Dabei wird sie gleichermaßen von totalitären Regimen und Diktaturen als auch von Demokratien eingesetzt (als Beispiel: die amerikanische Berichterstattung während des Irakkriegs).

     

  2. Auslandspropaganda

    Sie dient der Außendarstellung eines Regimes, umfasst also alle Maßnahmen die ein Staat ergreift um die eigenen Sicherheitsbedürfnisse, strategische Interessen sowie ökonomischen Ziele international zu verdeutlichen. Methoden hierfür wären Auslandskulturarbeit nebst Sprachunterricht genauso wie fremdsprachige Radio- und Fernsehsendungen, sowie Lobbyarbeit bei ausländischen Regierung. Auslandspropaganda gilt somit als wichtiger Teil der Sicherheitspolitik eines Staates.

     

  3. Soziologische Propaganda

    Diese Bezeichnung beschreibt alle Versuche von Regierungen durch Propaganda die Internalisierung bestimmter Normen zu erreichen. Ein anderes Wort hierfür wäre Integrationspropaganda. Eine derartige Propaganda kann auch in Demokratien zur Anwendung gelangen (z.B. im Bereich der politischen Bildung) ist aber v.a. ein markantes Merkmal totalitärer Regime des 20. Jahrhunderts. Diese, egal ob faschistisch/nationalsozialistisch oder stalinistisch-kommunistisch, vertraten das Ideal eines ,,neuen Menschen“, das Volk sollte darum durch Propaganda im diesem Geist erzogen werden. Die Propaganda wirkte dabei dominierend und omnipräsent, der Führungsanspruch des herrschenden Regimes wurde somit untermauert.                

  4. Politische Propaganda in Demokratien

    Bezeichnet das strategische Werben um Zustimmung im Rahmen des im Meinungspluralismus stattfindenden politischen Wettkampf, wie z.B bei Wahlen. Dem Empfänger dieses Werbens ist dabei seine Zuordnung zu einer dieser Meinungen selbst überlassen. Die Definition Propaganda ist daher in diesem Fall eher umstritten. 3

 

Nach diesem kurzem Einblick in das Definitionsfeld nun ein Blick auf zwei Werke Philip K. Dicks, die sich mit dem Thema Propaganda auseinander setzen bzw. dieses als Motiv beinhalten.

 

The penultimate truth (Zehn Jahre nach dem Blitz)

Die Geschichte ist Anfang des 21. Jahrhunderts angesiedelt, die Welt liegt nach dem 3. Weltkrieg in Schutt und Asche. Zwei große Machtblöcke bekriegen sich, die Wes-Dem und die Poc-Peop. Die Menschen führen den Krieg jedoch nicht selbst, denn während diese sich vor den radioaktiven Strahlen in den Untergrund geflüchtet haben, führen auf der Erdoberfläche Roboter, sog. ,,leadies“ (im Deutschen ,,Metallos“), die Kämpfe stellvertretend weiter. Unter der Erde werden die Menschen vom Oberhaupt der Regierung, welche sich noch auf der Oberfläche befindet, Talbot Yancy, über den aktuellen Kriegsverlauf per Leinwandübertragungen auf dem Laufenden gehalten. Die Überlebenden im Untergrund produzieren währenddessen in großen Stollen Metallos. Als der Chefmechaniker des Stollens ,,Tom-Mix“ stirbt und deswegen ein Scheitern der Sollerfüllung droht , versucht der Arbeiter Nicholas St. James auf die Oberfläche zu entkommen um dort eine künstliche Bauchspeicheldrüse besorgen zu können, mit dessen Hilfe es möglich wäre den Chefmechaniker zu reanimieren. Auf der Oberfläche entdeckt er schließlich dass der Krieg schon seit Jahren vorbei ist und von einer Elite, genannt die ,,Yancy Men“, beherrscht wird. Diese hat die Erde unter sich aufgeteilt und benutzt nun die Metallos um ihr Land und ihren Reichtum zu schützen. Präsident Talbot Yancy ist dabei nur ein von einem Großcomputer generiertes Simulacrum.

An dieser Stelle ergibt sich das Motiv der Propaganda: Durch den simulierten Präsidenten werden die Menschen im Untergrund gezielt im Unklaren gehalten. Stattdessen werden sie mit Informationen über eine falsche Realität gefüttert. Doch nicht nur über die Realität werden Lügen verbreitet, auch die Vergangenheit wird den Leuten verzehrt nahe gebracht, da durch die Yancy Men massiv Geschichtsfälschung betrieben wird.

 

 Der Roman führt Motive der Kurzgeschichte The mold of Yancy (Yancys Sinneswandel) aus dem Jahr 1958 weiter: Die Geschichte behandelt die politischen Verhältnisse auf einer Kolonie auf dem Jupitermond Calisto. Die dort vorherrschende Gesellschaft ist ein Hort der Harmonie. Es gibt keine Unruhen, keine Rebellionen, keine Gewalt. Ein völlig friedlicher Ort. Der Grund für diesen Zustand ist John Yancy, ein augenscheinlich ganz normaler Durchschnittsbürger, der allerdings im Alltag aller Koloniebewohner durch omnipräsente Medienpräsenz, sei es im Fernsehen oder auf Werbeplakaten, allgegenwärtig ist. Dabei scheint er zu jedem Thema seine Meinung zu haben, seine Reden wirken dabei eloquent und tiefgründig. In Wirklichkeit sagen diese jedoch kaum etwas aus, es wirkt eher so als seien Talbots Aussagen nur der kleinste gemeinsame Nenner aller in der Gesellschaft vorherrschenden Meinungen, er hat selbst nicht wirklich einen eigenen Standpunkt. Durch diese Art der gezielten Meinungskontrolle sollen die Menschen auf Calisto entpolitisiert und gleichgeschaltet werden.

 

Für Philip K. Dick war in diesen beiden Geschichten das Motiv einer manipulierenden, die Gesellschaft belügende Regierung von Interesse. Er selber hatte nie großes Vertrauen in Regierungen, weswegen er die in seinen Geschichten geschilderten politischen Zustände als für durchaus möglich erachtete. Für ihn war Science Fiction eine Art der Auflehnung gegen diese Zustände und die Autoritäten die sie verursachen, ein Kampf gegen geselschaftliche Gleichschaltung und Volksverdummung.4

 

Literaturverzeichnis:

 Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 4., aktual. Aufl. Bonn: Dietz 2006.

 Bussemer, Thymian: Propaganda: Konzepte und Theorien. Mit einem einführenden Vorwort von Peter Glotz. 2., überarbeitete Aufl.Wiesabaden:VS. Verlag für Sozialwissenschaften. 2008.

 http://www.philipkdickfans.com/pkdweb/The%20Mold%20Of%20Yancy.htm

Dick, Philip K.: The penultimate Truth. New Edition. Gollancz. 2005

Dick, Philip K.: Der goldene Man. Pabel-Moewig Verlag Kg. 1984

 

1Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 4., aktual. Aufl. Bonn: Dietz 2006.

2Bussemer, Thymian: Propaganda: Konzepte und Theorien. 2. Auflage.Wiesbaden: VS Verb, für Sozialswissentschaften. 2008. Vgl. S. 25 – 41

3Bussemer, Thymian:Propaganda: Konzepte und Theorien. 2. Auflage. Wiesbaden: VS Verb, für Sozialswissentschaften. 2008. Vgl. S. 35 ff.